Im Projekt integraL experimentieren wir mit Partner:innen zu neuen Methoden für die Züchtung, den Anbau und die Verarbeitung von Körnerleguminosen in der Schweiz

Körnerleguminosen wie Erbsen, Platterbsen, Lupinen und Bohnen haben ein grosses Potential für die Landwirtschaft und Ernährung in der Schweiz. Aufgrund der aktuell geringen Anbauflächen wird dieses jedoch nicht voll genutzt. Das möchten wir ändern und führen dafür mit Critical Scientists Switzerland, semnar und der Universität Lausanne das Projekt Interdisciplinary Research on Grain Legumes (integraL) durch. integraL besteht aus vier Teilprojekten, die sich mit der partizipativen Testung- und Züchtung verschiedener Körnerleguminosen, der Einführung der Platterbse in der Schweizer Landwirtschaft und den historischen Gründen des Rückgangs des Anbaus von Körnerleguminosen beschäftigen.

Verantwortliche Person: Sebastian Kussmann, gzpk

Ziel des Projekts ist die Zusammenarbeit von Anbau und Pflanzenzüchtung zu stärken, indem Züchter:innen und Bäuerinnen und Bauern gemeinsam Versuche auf Höfen planen und durchführen. Über die Feldversuche erfahren die Bäuerinnen und Bauern welche Kulturen an ihren Standort passen, die Züchter:innen erfahren durch den Austausch, welche Zuchtziele für die praktische Landwirtschaft relevant sind und in den Züchtungsprozess einbezogen werden müssen.

An einer Zusammenarbeit interessierte Bäuerinnen und Bauern können sich jederzeit bei der gzpk melden.

Verantwortliche Person: Tamara Lebrecht, CSS

Dieses Teilprojekt schaut sich exemplarisch an, wie neue Wertschöpfungsketten für in Vergessenheit geratene und wenig genutzte Kulturen geschaffen werden können. Dazu untersuchen wir das Potenzial der klimaresistenten Körnerleguminose Platterbse für Züchtung, Anbau, Verarbeitung und Vermarktung in der Schweiz.

Landwirtschaftliche Diversifizierung ist eine Schlüsselstrategie, um die Widerstandsfähigkeit und Ertragsstabilität landwirtschaftlicher Produktionssysteme in Zeiten des Klimawandels zu stärken. Von den weltweit über 50’000 bekannten, essbaren Pflanzenarten, sind jedoch nur die wenigsten bei uns bekannt. Vernachlässigte und wenig genutzte Kulturen sind oftmals an besondere und extreme Umweltbedingungen angepasst und daher am widerstandsfähigsten gegenüber der lokalen Umwelt, Schädlingen und Krankheiten, weswegen ihnen ein enormes Potenzial, die Ernährungssicherheit zu erhöhen nachgesagt wird. Sie laufen jedoch Gefahr, zusammen mit dem traditionellen Wissen über ihren Anbau und ihre Verwendung, zu verschwinden.

Die Platterbse gilt als eine der klimaresistentesten Kulturpflanzen. Sie zeichnet sich besonders durch ihre extreme Trocken- und Hitzestresstoleranz aus. Im Vergleich zu anderen Hülsenfrüchten sind Platterben weniger anfällig gegenüber verschiedenen Krankheiten und Schädlingen, und dadurch interessant für die Fruchtfolge und Züchtung.

Da die Platterbse reich an pflanzlichen Eiweißen und essentiellen Aminosäuren ist, ist sie auch interessant für die menschliche Ernährung. In der Schweiz ist die Platterbse wenig bekannt.

Im Rahmen von IntegraL werden folgende Forschungsfragen bearbeitet:

1. Untersuchung des agronomischen und züchterischen Potenzials der Platterbse in der Schweiz

  • Mehrjähriges Genotypenscreening
  • Mehrjährige Mischanbauversuche

2. Untersuchung des Ernährungs- und Verarbeitungspotenzial der Platterbse

  • Analyse der ernährungsphysiologischen Qualität verschiedener Platterbsengenotypen
  • Analyse der technofunktionellen Eigenschaften von Platterbsenproteinisolaten

3. Untersuchung der Grundvoraussetzungen für die Etablierung einer Platterbsenwertschöpfungskette in der Schweiz?

  • Systematische Literaturrecherche
  • Experteninterviews im In- und Ausland

Verantwortliche Person: Eva Gelinsky, semnar

Der Anbau von Körnerleguminosen ist in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen. Traditionell waren Kulturen wie Ackerbohnen, Erbsen, Linsen oder Lupinen, auch aufgrund ihrer bodenverbessernden Wirkung, ein wichtiger Teil der Fruchtfolge. In diesem Teilprojekt soll mit Hilfe eines wissenshistorischen Ansatzes untersucht werden, welche Entwicklungen zu ihrem weitgehenden Verschwinden beigetragen haben.

Seit ca. Mitte des 19. Jahrhunderts wird versucht, die als «rückständig» geltende Landwirtschaft in eine «moderne» «Industrie» zu verwandeln. So proklamiert z. B. ein als Landwirtschaftslehrer tätiger Chemiker 1867: «Der Boden soll für uns bloss die Maschine sein, welche den Rohstoff, Dünger geheissen, verarbeitet.» Bis in die 1950er Jahre ist dieser Modernisierungsprozess jedoch immer wieder mit Schwierigkeiten verbunden: Die Versuche, die landwirtschaftliche Produktion genauso wie die Herstellung von Gütern in der Industrie zu organisieren, brechen sich fortwährend an deren «raum-zeitlichen Eigenheiten». Die in der Landwirtschaft genutzten Tiere, Pflanzen und der Boden weisen Eigenschaften auf, die sich nicht bruchlos in die vom Verbrauch fossiler Ressourcen geprägten Logik industriekapitalistischer Verwertungen einfügen lassen. Dies ändert sich grundlegend, als auch die landwirtschaftliche Produktion am wachsenden Verbrauch fossiler Energie zu partizipieren beginnt. Der Einsatz synthetischer Hilfsstoffe im Pflanzenbau (mineralische Stickstoffdünger, Pestizide etc.), die Zunahme der «bodenunabhängigen» Tierproduktion durch den Import und einzelbetrieblichen Zukauf von Futtermitteln (Soja), die Motorisierung vieler Arbeitsschritte – all diese Prozesse basieren auf der massiven Steigerung des Verbrauchs fossiler Energieträger und verändern damit auch grundlegend die Bedingungen, unter welchen über die Landwirtschaft und ihre Funktionen in der modernen Industriegesellschaft nachgedacht wird.

Am Beispiel der Leguminosen lässt sich dieser widersprüchlich ablaufende Prozess der Agrarmodernisierung nachvollziehen. So sind sie zunächst fester Bestandteil der bis weit ins 20. Jahrhundert praktizierten agrarischen Produktions- und Wissenssysteme: nicht nur in der menschlichen Ernährung haben sie ihren Platz, sondern sie dienen auch als wertvolles Futter für die Arbeitstiere. Dazu trägt ihr regelmässiger Anbau zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit bei. Im «fossilen Zeitalter», das in der Landwirtschaft ab den 1950er Jahren beginnt, verlieren sie ihre Funktion und Bedeutung, weil Arbeitstiere durch Maschinen ersetzt werden, die «bodenunabhängige» Tierhaltung ihre Futtermittel im grossen Masstab importiert, immer mehr Fleisch (statt Erbsen, Linsen etc.) konsumiert werden, sich hohe Erträge durch synthetische Stickstoffdünger erzielen lassen und die auf Wachstum und Exportorientierung getrimmte Agrarproduktion nach «vereinfachten» Fruchtfolgen verlangt.

Da dieser Prozess der Agrarmodernisierung mit grundlegenden Änderungen der epistemischen Konzeptualisierungen des Agrarischen verbunden ist – das Denken über bzw. die Wahrnehmung von Landwirtschaft verändern sich grundlegend –, braucht es für eine tatsächliche Agrarwende auch Veränderungen im Bereich der Wissensformen und Erkenntnispraktiken (in Agrarwissenschaft, -politik und -ökonomie und daraus folgend auch in der Ausbildung und der Praxis). Erst dann kann sich der Zustand der Böden – auch langfristig – signifikant verbessern und die Leguminosen finden wieder ihren angemessenen Platz in der Agrarproduktion

Verantwortliche Personen:
Sebastian Kussmann & Christine Scheiner, gzpk
Marianna Fenzi, Universität Lausanne

Für die Ausweitung des Körnerleguminosenanbaus und der -verarbeitung in der Schweiz müssen wir in der Nahrungsmittel- und Wertschöpfungskette zusammenarbeiten. Im Projekt wird die Vernetzung zwischen Bäuer:innen, Züchter:innen, Verarbeitung und Handel gestärkt. Züchter:innen kommen mit den Bäuer:innen auf den Höfen zusammen und besprechen Versuche. Zusätzlich veranstalten wir Workshops zu Themen wie Direktvermarktung, Aufbereitung und Verarbeitung, beispielsweise beim LeguminosentagFlurbegehungen und Veranstaltungen mit Restaurant. Wir tauschen uns über aktuelle Möglichkeiten im Anbau und der Verarbeitung aus und besprechen interessante Ideen für Zukünftige Aktivitäten.

Über weitere Aktivitäten des Projekts informieren wir auf der Website der gzpk, Instagram und im gzpk Newsletter.

Projektpartner:innen

Das Projekt Integral (Potential von Körnerleguminosen und partizipativer Züchtung für die agrarökologische Transformation der Schweizer Landwirtschaft) wird unterstützt von folgenden Organisationen:

Das Projekt wird gefördert durch die Stiftung Mercator Schweiz und fondation sur la croix:

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